Über Entscheidungen

Und dann spreche ich es aus. Sage endlich laut, worüber ich seit Wochen grübelte. Die Gedanken, die ich mit nur wenigen teilte. Die Entscheidung, die ich fällte, zuerst in meinem Herzen, dann auch in meinem Kopf. Jetzt ist es ausgesprochen und meine Schultern sind so leicht.

Und dann spreche ich es aus. Sage endlich laut, worüber ich seit Wochen grübelte. Die Gedanken, die ich mit nur wenigen teilte. Die Entscheidung, die ich fällte, zuerst in meinem Herzen, dann auch in meinem Kopf. Jetzt ist es ausgesprochen und meine Schultern sind so leicht.

Entscheidungen treffen.

Jeden Tag.

Wir stellen uns selbst vor sie oder werden vor sie gestellt. Fällen sie aus dem Bauch oder dem Kopf heraus. Kriegen Kopfschmerzen vom Kreisen der Gedanken und spüren das Herz in der Brust schlagen. Kopf oder Herz, Kopf oder Herz.

Die erste Quelle, die man online findet (a.k.a. Wikipedia) definiert den Begriff Entscheidung als “die Wahl einer Handlung aus mindestens zwei vorhandenen potenziellen Handlungsalternativen unter Beachtung der übergeordneten Ziele.” Das hört sich erst einmal logisch an. Aber auch sehr technisch, emotionslos und irgendwie zu einfach. Nach einer Sache, über die man 5, vielleicht 10 Minuten nachdenkt und dann kommt man schon zum richtigen Ergebnis. So, als müsste man seinen Kopf nur ein klein wenig anstrengen, sich wieder daran erinnern, wie man eine Formel löst. Wie damals, im Mathekurs. Für die alltäglichen Entscheidungen läuft es ja auch irgendwie so. Wesentlich schneller als in 5 Minuten entscheide ich mich für Obst statt des Franzbrötchens zum Frühstück, unter dem übergeordneten Ziel gesund zu leben. Ein Glas Wasser, statt noch ein Wein. Das übergeordnete Ziel: morgen ohne Kopfschmerzen aufzuwachen. Ein einfaches 1+1, nichts wozu ich lange in der Formelsammlung suchen müsste.

Aber was ist mit den Entscheidungen, die man nicht alle Tage trifft? Mit solchen, die dein Leben verändern - Wenn das übergeordnete Ziel ist, glücklich zu sein?

Diese Entscheidungen lassen sich nicht in 5 oder 10 Minuten treffen, nachdem man mal eben dieses und jenes abgewogen hat, eins und zwei addiert und vielleicht noch die Punkt-vor-Strich-Rechnung bedacht hat. Bei den lebensverändernden Entscheidungen läuft es anders. Zumindest für mich kann ich das feststellen.

Und in der Retrospektive ist es wirklich interessant, wie sich Entscheidungen anbahnen. Selten kommen sie ganz überraschend. Irgendetwas verändert sich. Eine Situation, ein Gefüge, oder man selbst. Und dann, ganz leise, kündigen sie sich an. Klopfen immer wieder an, bis man ihnen schließlich die Tür öffnet, sie zu sich einlädt, Kaffee und Kuchen anbietet, ein bisschen Smalltalk versucht, als man da vor ihnen steht. Versucht die Zeit mit dem Mahlen des Kaffees totzuschlagen, während sie sich immer größer vor einem aufbauen. Die Fragen beginnen herumzutoben, an den Sofakissen zu zupfen und neue Ideen verschieben den Tisch. Jetzt heißt es: Ruhe bewahren. Einen Schluck Kaffee, ein Stück Kuchen, tief durchatmen.

Zuletzt stellte ich mich selbst vor eine dieser wichtigen Entscheidungen, diese eine große Frage, die uns im Leben immer wieder begegnet. Wie geht es nun weiter? Wie soll mein Leben die nächsten Jahre, die nächsten Monate oder auch nur die nächsten Wochen aussehen? Ganz egal, ob es um Beziehungen, den Job oder den Umzug an einen anderen Ort geht. Fragen müssen gestellt und beantwortet, Entscheidungen getroffen werden. Die Formelsammlung wird durchblättert, wieder zurück ins Regal gestellt oder in die Ecke gepfeffert. Denn eine Formel gibt es nicht. Die richtige Entscheidung zu treffen ist eine Aufgabe, die wir selbst lösen müssen. Denn was richtig und was falsch ist, wissen wir selbst am besten, manchmal auch erst im Nachhinein. Freunde, Bekannte, Kollegen, die Familie steht mit Rat und Tat zur Seite. Meistens gut gemeint, aber oft nicht weniger daneben. Denn wie gesagt: du weißt, wenn du tief in dich gehst und genau zuhörst, was für dich am besten ist. In deiner persönlichen Situation.

Das ist jetzt natürlich leichter geschrieben als getan. Und all diese Personen, die einem mehr oder weniger nahe stehen, können eine große Stütze sein, haben selbst ähnliche Situationen erlebt, können nachvollziehen, wie du dich fühlst. Je näher sie stehen, umso größer kann die Stütze, aber im Umkehrschluss auch das genaue Gegenteil sein. Denn problematisch wird es dann, wenn sie sich nicht auf dich einlassen, dir nicht genügend Vertrauen entgegenbringen, deine Situation eben nicht verstehen können. Wenn sie zu sehr unterstützen, oder einfach nur gegenan reden wollen, denken es besser zu wissen. Dann klopft das Herz noch mehr, die Gedanken kreisen noch schneller. Dann bleibt nur noch, es sich wieder am Tisch bequem zu machen, die Fenster und das Surren des vermeintlichen Besserwissens von draußen zu schließen, einen großen Schluck heißen Kaffee und den nächsten Bissen Kuchen zu nehmen, der Entscheidung ins Gesicht zu sehen und sich wieder auf sich selbst zu besinnen.

Denn, egal wie große oder klein die Stützen, wie groß oder klein die Gegenteile, das wichtigste - so habe ich es für mich herausgefunden - ist das eigene Urvertrauen in sich selbst. Das Vertrauen, dass man das Chaos ordnen, die Formel aufstellen und lösen, die richtige Entscheidung treffen kann und wird. Das Vertrauen, dass man damit umgehen können wird, wenn sich diese als falsch herausstellt. Denn ganz sicher kann man sich nie sein. Jede Entscheidung trifft man auch mit einem Hauch Risiko. Sonst würde das Herz nicht so schnell schlagen, die Aufregung nicht so groß sein.

Dieses Vertrauen und den Mut zu finden, die Entscheidung zu treffen, die Angst vor dem Risiko und dem “Hab ich dir ja gleich gesagt” im Hinterkopf auszuschalten. Gar nicht so leicht. Aber mit jeder Entscheidung, die man bewusst für sich trifft, mit der man seinen Lebensweg in eine Richtung lenkt, egal ob geradeaus oder wild gebogen, wird es ein kleines bisschen leichter. Nicht unbedingt leichter in dem Sinne, dass Entscheidungen schnell gefällt sind, keine Angst, keine Zweifel mehr auftreten. Leichter in dem Sinne, dass man besser weiß, was man will, auf seine innere Stimme hören und die äußeren vor der Tür lassen kann.

Und nun zurück zu meiner großen Entscheidung.

Sie kam immer mal wieder am Fenster vorbei, warf einen Blick hinein. Klopfte an die Tür, aber nie laut genug. Bis sich Situationen und Gefüge veränderten, sie immer öfter vor Tür und Fenster stand, das Klopfen lauter wurde. Dann lud ich sie ein, setzte ich mich mit ihr an den Tisch, bot Kaffee und Kuchen an. Wie geht es nun weiter? Fragen schwirrten um den Tisch herum. Und nachdem ich in mich ging, ganz zur Ruhe kam, der heiße Kaffee auf den Lippen brannte und der Kuchen auf der Zunge zerbröselte. Als sich die Aufregung legte, mein Herz wieder seinen Rhythmus fand, da wusste ich es ganz genau. Ich wusste genau, was ich wollte und die Entscheidung lag auf der Hand.

Und damit hätte dieser Text enden können. Aber das tut er nicht. Denn eine Entscheidung endet ja nicht damit sie zu treffen. Sie beginnt damit. Sie zieht weitere Fragen mit sich, will noch mehr wissen. Irgendwem musst du sie verkünden, entscheiden wann und wo und wie. Erst wenn die Entscheidung deinen Kopf verlässt, über deine Lippen kommt, der kritischen Beäugung standhält, du immer noch zu ihr hälst, dann wird es plötzlich leicht. Und dann ist dieser Text zu ende.