Ein Roadtrip durch England - Teil 2/5

Whitstable. Der kleine Fischerort am Meer hat es mir sofort angetan. Die vielen bunten Holzhäuschen mit kleinen bunten Gärten und Blick auf das Wasser. Wir laufen an der Promenade entlang, balancieren auf den Steinen des Strandes.

Cambridge Window
↳ Bridge of Sighs, Cambridge

Whitstable

Der kleine Fischerort am Meer hat es mir sofort angetan. Die vielen bunten Holzhäuschen mit kleinen bunten Gärten und Blick auf das Wasser. Wir laufen an der Promenade entlang, balancieren auf den Steinen des Strandes. Der Kieselstrand ist nicht unbedingt zum Baden geeignet, was nicht nur an den kleinen Steinen, sondern vor allem an den Austernfarmen liegt, die vom Strand ins Meer reichen. Trotzdem kühlen sich einige Locals in den sachten Wellen ab. Zwischen den bunten Wohn- und Ferienhäusern mit Blick auf den Strand, finden sich kleine Bars und Restaurants, die vor allem Eiscreme, Austern und Bier anbieten. Das Kreischen der Möwen, das Schlürfen der Austern, der Geruch von Pommes, die frittiert werden, und vor allem Gelassenheit liegen in der Luft. Wir setzen uns mit Bier und Eis unter einen der Sonnenschirme und nehmen sie voll in uns auf, genießen das Nichtstun, das Dasitzen und Beobachten. Die Sonne strahlt warm vom Himmel, das ist Urlaubsfeeling pur.

Die Nacht verbringen wir nicht direkt hier, sondern ungefähr 15 Minuten entfernt, aber dafür sehr nah am Meer, hinter dem Deich an einer leisen Straße. Mit der geöffneten Heckklappe liegen wir zwischen Kissen auf dem Bauch herum und vertiefen uns in unsere Bücher, bis es langsam abkühlt und die Mägen knurren. Dann schnappen wir uns Stühle, Tisch und Gaskocher, klettern über den Deich und decken am Strand den kleinen Abendbrottisch. Es gibt einen unserer Klassiker: Pasta, Brokkoli, Pesto. Dazu ein Glas Wein, den wir noch aus Deutschland mitgebracht haben. Die Sonne beginnt langsam unterzugehen. Wir sind fast alleine. Nur links und rechts haben vereinzelte Pärchen und Freundesgruppen ihre Picknickdecken zum Sonnenuntergang-Gucken ausgebreitet. Als der rote Feuerball im Meer versinkt, klettern wir zurück über den Deich und in den Van zwischen die Laken.

Whitstable Beach House
↳ Strandhaus, Whitstable
Shells only, Whitstable
↳ Whitstable

Autofahren in England

Wir frühstücken mit der Morgensonne und machen uns dann auf den Weg. Zu einer Stadt, auf die ich mich besonders freue: Cambridge. Die Fahrt dauert etwas über 2 Stunden und führt größtenteil über Autobahnen. An den Linksverkehr haben wir uns beide schnell gewöhnt. Auch Harry, der zwar die Hälfte seiner Zeit in England lebt, jedoch dort kein Auto fährt, brauchte ein paar Momente der Umgewöhnung. Aber nachdem wir uns beide vor allem beim Rechtsabbiegen und Einfahren in Kreisverkehre regelmäßig daran erinnert haben, dass es auf der Insel andersrum zugeht, fährt es sich ganz leicht. Das Fahren auf den Autobahnen empfinde ich als wesentlich entspannter als in Deutschland. Die Straßen sind gut ausgebaut, fast immer drei- oder mehrspurig, sodass wir auch mit unserem nicht ganz so schnellen Van immer eine Spur finden, auf der wir uns wohlfühlen. Warum schwärmen eigentlich immer alle von den deutschen Autobahnen? Das Tempolimit mag wohl ein Grund sein. Hier in England liegt es, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern auch, bei 70 mph (113 km/h). Mir gefällt es gut. Sobald man durch kleine Orte fährt, sorgen viele Bumper dafür, dass das Limit von umgerechnet 30 bzw. 50 km/h eingehalten wird, und die Straßen werden relativ schmal. Was Harry schon so oft erwähnte, mir bisher jedoch nicht auffiel, wird mir im Van plötzlich klar: in Deutschland ist alles so weit. Das stimmt, hier ist es kleiner, weniger weit. Ich erkläre es damit, dass England ja auch ein kleineres Land ist. Auf der Insel ist eben nicht so viel Platz.
Punting in Cambridge
↳ Punting, Cambridge

Cambridge

Das Radio ist aufgedreht, irgendein Sender, der Musik aus der 80ern spielt. Wir singen lautstark mit und freuen uns über die Klimaanlage. Erneut ein heißer Tag in England. Wie war das noch mit 14 Tage Regen? Kurz bevor wir in Cambridge ankommen, markieren wir mögliche Orte, an denen wir die Nacht verbringen können. Den ersten steuern wir an, parken, bringen schon Sonnen- und Sichtschutz an, ehe wir uns doch umentscheiden. Der Straßenrand, selbst wenn er ruhig ist, fühlt sich nicht richtig an. Der zweite Ort jedoch ist perfekt. Ein sandiger Parkplatz am Rande eines kleinen Waldes, der Anfang eines Spazier- oder Wanderweges. Von hier aus machen wir uns zu Fuß auf den Weg in Richtung Stadtzentrum. Wir spazieren durch kleine Straßen und einen großen Park, essen die selbstgemachten Sandwiches am Rande des Flusses Cams, beobachten die vielen Besucher, Studenten und Einheimischen, die sich am punting (Stechkahn fahren) versuchen. Die Stimmung ist gut, die Sonne scheint, wir fühlen uns wohl. Wir überqueren eine Straße, gehen durch ein Tor, und sind plötzlich dort angekommen, wo der Park zur Kuhkoppel wird. Nachdem wir erst einmal realisieren müssen, dass das eine Kuh ist, die uns aus müden Augen ansieht, und ich mich frage, ob ich nun Angst haben oder mich einfach freuen soll, sind wir schon fast am Ende des Parks angekommen. Plötzlich stehen wir auf einer der vielen, von prachtvollen Gebäuden gesäumten Straßen, auf denen sich Touristen tummeln. Die Universitätsstadt Cambridge mit ihren Elite Unis erstrahlt im Sonnenschein. Wir lassen uns in der Menge treiben, immer weiter, versuchen uns im Schatten der Gebäude aufzuhalten, trinken frisch gepressten Saft auf den Markt. Irgendwie schaffen wir es an den Touristen vorbei einen näheren Blick in den Innenhof einer der Universitätsgebäude zu werfen. Ein gentleman lädt uns ein, doch näher zu kommen. Und so sparen wir uns das Eintrittsgeld und das Drängeln zwischen hochgehaltenen iPads und Kameras und spazieren durch die Gärten der Universität, zwischen Blumen in ihren Sommerkleidern, durch gemauerte Gänge, über die Bridge of Sighs.
Apple Tree Cambridge
↳ Apfelbaum, Trinity College, Cambridge
Ale House Cambridge
↳ Pub, Cambridge
Blumen hinter dem Fenster
↳ Universitätsgarten, Cambridge

Wir laufen immer weiter, wieder über den großen Marktplatz und kommen auf der anderen Seite Cambridges an. Hier ist es weniger touristisch. An den kleinen Kopfsteinpflaster-Straßen reihen sich Häuser mit Fensterläden und Blumenkästen Hier könnt ich sofort einziehen. Am Ende einer dieser Straßen finden wir einen Pub, setzen uns mit Pints und Salt & Vinegar Chips auf die Bänke davor. Noch so eine Sache, die ich an England liebe: die Pub Kultur. In den Public Houses ist es vollkommen legitim auch mitten am Tag schon 0,57 l Bier zu trinken. Außerdem gibt es immer gute Snacks; für mich zählen Chips definitiv dazu. Man trifft sich mit Freunden auf ein Getränk nach der Arbeit bevor man zum Abendessen weiterzieht. Kommt zum Sunday Lunch mit den Schwiegereltern. Im Winter wärmt man sich am Kaminfeuer, im Sommer erfrischt man sich. Gute Pubs sind etwas Gutes!

Als die Füße ausgeruht und der Durst gestillt ist, machen wir uns gemächlich auf den Weg zurück ins Zentrum. Schnell finden wir unsere Dinner Location für diesen Abend: Honest Burgers. Obwohl der Burgerladen in London gegründet wurde und Harry sogar mit den Gründern bekannt ist, haben wir es in der Hauptstadt noch nicht geschafft, einen der Läden zusammen aufzusuchen. Aber jetzt passt es und wir setzen uns zur typischen deutschen Dinnertime um 18 Uhr in das kleine Restaurant. Zu dieser Uhrzeit sind fast die einzigen, als wir Rosmarin Pommes und Veggie Burger genießen und den Tag Revue passieren lassen. Den nightcap nehmen wir auf dem Weg zurück zum Van, an einem Pub direkt am Fluss, ein. Viele Studenten, junge und alte Menschen sitzen in der Abendsonne und genießen die letzten Stunden des Sommertages. Wir gesellen uns zu ihnen, lassen die Beine und Gedanken baumeln.

York cathedrale
↳ Cathedral and Metropolitical Church of Saint Peter, York

Leeds

Wir fahren ungefähr drei Stunden weiter gen Norden. Das erste Mal an einen Ort, den Harry schon kennt. Hier hat er studiert, 3 Jahre seines Lebens verbracht und genau deshalb wollte ich unbedingt herkommen. Leeds ist die viertgrößte Stadt Englands, beherbergt zwei Universitäten und mehrere Colleges. Ich muss ganz ehrlich sagen: mit Cambridge kann die Stadt nicht mithalten. Aber das ist vielleicht auch ein zu hohes Maß. Dafür hat Leeds viele coole Cafés und Restaurants, die Iced Matchas und Shakshuka servieren. Die Innenstadt fühlt sich nach Cambridge sehr - gewöhnlich - an. Aber das Corn Exchange Shoppingzentrum ist cool. Dort wo früher - wie es der Name schon verrät - vor allem mit Mais gehandelt wurde, finden sich heute kleine unabhängige Geschäfte, Cafés und Restaurants. Das ovalförmige Gebäude wird von einer großen Kuppel überdacht, verzierte Treppen führen auf die zweite Ebene. Ich gehe einmal herum, fahre mit der Hand über das glatte Holz der Balustrade, blicke hier und da in die kleinen Läden, lese die Rückseite eines Buches oder einer Schallplatte. Dann fahren wir ein kleines Stück aus dem Zentrum heraus, machen uns auf den Weg zur Uni. Hier findet gerade eine Graduation Veranstaltung statt; überall auf dem Gelände laufen Absolventen in Roben und academic caps und Eltern in schicken Outfits herum, halten Proseccogläser, die in der Sonne glitzern. Es wird posiert und fotografiert. Wir schlängeln uns zwischen ihnen hindurch und Harry zeigt mir den Campus, die Cafeteria, den Sandwich Shop, wo er die Pausen mit seinen Freunden verbrachte, den Kiosk um die Ecke. Dann setzen wir uns noch einmal ins Auto, fahren grob in eine Richtung, während Harry versucht sich an den Namen der Straße zu erinnern, in der sich mit 6 Kommilitonen ein Haus teilte. Ein Haus, dessen Keller sie schwarz strichen, um dort Parties zu veranstalten. Es fällt mir schwer, mir Harry als 20 Jährigen vorzustellen. Mit langen Haaren und Skateboard unter dem Arm, die Nächte durchfeiernd. Die Straße, deren Name Harry schließlich wieder einfiel, verläuft leicht bergauf. Sie ist auf beiden Seiten gesäumt von Einfamilienhäusern mit Veranden und einem kleinen Garten oder Parkplatz vorne dran. Viele von ihnen sind leicht heruntergekommen, könnten einen neuen Anstrich gebrauchen. Der Charme, den englische Reihenhäuser so an sich haben, strahlen sie trotzdem aus. Wir halten am Rand der engen Straße und laufen zu Fuß weiter, bis wir vor zwei Häusern stehen. Eines der beiden muss es sein, sagt Harry. So lässt es sich als Student aushalten, denke ich, lege meinen Kopf in den Nacken und schaue an dem mehrgeschossigen Haus hinauf. Wir laufen die Straße bis zum Ende hinauf, gehen nach Gefühl links und wieder rechts, bis wir unser Ziel erreichen: den Pub, der zu Harrys Studienzeiten angeblich der profitabelste Pub in ganz England war. Der Pub ist riesig, hat wenig mit den gemütlichen Pubs mit alten Holzmöbeln und Kaminfeuern zu tun, und ist selbst an diesem Nachmittag in den Semesterferien gut besucht. Wir setzen uns nach draußen auf eine der Bänke auf dem Grün, das mich an einen bayrischen Biergarten erinnert, teilen ein Pint des Hausbiers und Harry lässt mich an seinen schönsten Erinnerungen an diesen Ort teilhaben.
Lunch in Leeds
↳ Lunch, Leeds
Corn Exchange Shopping Centre Leeds UK
↳ Corn Exchange, Leeds

York

Als wir uns zum letzten Mal an diesem Tag in den Van setzen, ist es später Nachmittag. Ungefähr eine Stunde nordöstlich von uns entfernt liegt York, das nächste Ziel auf unserer Reiseroute. Der kleine Parkplatz am Rande eines Feld-, Wald- und Wanderweges außerhalb der Stadt ist schnell gefunden und nach einem kleinen Erkundungsspaziergang durch das dichte Grün machen wir es uns dort gemütlich. Der Schatten tut gut. Wir lehnen uns in den Campingstühlen zurück, toasten Crumpets und lassen den Cheddar darauf schmelzen. Mit Einbruch der Dunkelheit schließen wir alle Türen und Fenster und fallen in einen tiefen Schlaf.

Die Sonne brennt vom Himmel, als wir uns am nächsten Morgen auf den Weg zum nächstgelegenen Fitnessstudio machen. Eigentlich ist es viel zu heiß, aber wir haben die Dusche dringend nötig und beginnen den Tag mit einem Lauf auf dem Laufband. Die Klimaanlage ist ausgefallen und es ist mittlerweile so heiß, dass es fast unmöglich ist, sich nach der Dusche abzutrocknen. Der Schweiß findet kein Ende, im Radio sprechen sie vom heißesten Tag, der jemals in England gemessen wurde. Trotz der Hitze bin ich voll und ganz von York hingerissen. Ich verliebe mich sofort in die kleine Straße, die wir entlang laufen, mit dem Kopfsteinpflaster, den kleinen Cafés, Bars und Restaurants, dem schönsten Blumenladen überhaupt. Hätten wir nicht noch eine Woche des Reisens vor uns, würden wir den Van am liebsten sofort mit Terrakotta Töpfen, Sukkulenten und anderen Pflanzen füllen. Ein anderes Mal. Und ein guter Grund, um wiederzukommen. Nebenan setzen wir uns in ein Café, kühlen uns mit geeistem Kaffee, lassen uns Sauerteigbrot mit Avocado, gegrilltem Halloumi, Hummus und pochierte Eier schmecken. Satt und glücklich schlendern wir der Nase nach in Richtung Stadtzentrum, halten uns in den vielen kleinen Gassen auf, in die die Sonne kaum ihren Weg findet. Auf dem Marktplatz bieten Händler ihre Ware an, Einheimische beeilen sich, den frisch erstandenen Fisch schnellstmöglich aus der Sonne und nach Hause in den Kühlschrank zu transportieren. Völlig überrascht, halte ich einen Moment inne. Wir stehen am Anfang einer geschäftigen kleinen Einkaufsstraße. Zauberstäbe, Kessel und allerlei Getränke werden hier angeboten. Wir sind in der Winkelgasse gelandet. Ein schneller Blick auf das Smartphone bestätigt: hier wurden einige Szenen der Harry Potter Filme gedreht. Was für eine schöne Überraschung! Mit einem breiten Lächeln im Gesicht schlendern wir die Straße entlang, in der Zauberstäbe, Umhänge und Quidditch Equipment, angeboten werden. Wir lassen uns weiter durch die Stadt treiben, an der großen Kathedrale und kleinen Geschäften vorbei, bis uns die Hitze zu Kopf steigt. Die dringend benötigte Abkühlung und finden wir in dem Outlet Zentrum am Rande der Stadt. Hier verbringen wir den Nachmittag, essen Eiscreme, probieren Wanderschuhe an, bevor es weiter Richtung Norden geht.

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