Ein Roadtrip durch England - Teil 1/5
Als es Ende Juli losgehen soll, sowohl Wanderstiefel, als auch Badeanzug, dicke Pullover und kurze Hosen, Bettdecken und Snacks in den Bulli geräumt sind, spielt auch das Wetter mit. Strahlend blauer Himmel in Hamburg, let’s go.
Bei der Recherche fielen mir vor allem drei Dinge auf:
Erstens:
Es gibt unglaublich viele Burgen in England. Einschließlich Alnwick Castle, wo übrigens die Flugstunde im ersten Harry Potter Film gedreht wurde. Zack, das kam auf die To Do Liste.
Zweitens:
Es gibt unglaublich viele National Parks in England. Dass es einige gab, wusste ich, aber nicht, dass England voll davon ist. Und spätestens nachdem man “Lake District National Park” in die Ecosia Bildersuche eingibt, fragt man sich schnell, wie man es überhaupt in Erwägung ziehen konnte, sich am Strand von Malle & Co. mit Sangria zu begießen.
Drittens:
England ist tatsächlich wesentlich kleiner als Deutschland. Das bedeutet, dass man es in zwei Wochen schaffen kann, ganz entspannt von Süden nach Norden und wieder zurückfahren, auch wenn man keine Lust auf lange Autofahrten hat. Perfekt für uns.
Let’s go to England
Die Sonne strahlt vom knallblauen Himmel, als es Ende Juli losgehen soll. Ich schmiere mir noch schnell etwas Sonnencreme auf die Nase, als wir Wanderstiefel, Badeanzug, dicke Pullover und kurze Hosen, Bettdecken und Snacks in den Bulli räumen. Ein bisschen übereifrig vielleicht, denn als wir die Stadtgrenze gerade hinter uns lassen, die Fenster heruntergekurbelt haben, laut zur ersten CD singen, nimmt das Wetter allerlei dramatische Wendungen an. Von gleißender Sonne zu Hagel und Sturm, von 26 zu 16 Grad. Unsere Laune trübt es allerdings nicht im Geringsten. Wir essen klebriges Stieleis auf Rastplätzen, freuen uns auf Reisen zu sein. Und zum Ende des Tages klärt auch der Himmel wieder auf.
Wir sind beide keine Autofahr-Fanatiker und finden, Strecken ab 6 Stunden können im Notfall, sollten im Urlaub aber definitiv nicht gefahren werden. Daher war es für uns von Beginn klar, nicht in einem fort nach Calais, von wo die Fähre nach Dover, England, führt zu fahren, sondern die Strecke auf zwei Tage aufzuteilen. Und so suchen wir uns gen Abend, als wir die Niederlande mit ihren schnurgeraden Autobahnen bereits hinter uns gelassen haben, den ersten Platz für die Nacht. Irgendwo am Rande einer kleinen Gemeinde, mitten in Belgien. Zwischen Bäumen und Feldern machen wir es uns das erste Mal so richtig gemütlich. Stellen die neuen Klappstühle auf, öffnen ein zwei Dosen Bier, verteilen die Reste aus dem Hamburger Kühlschrank auf dem kleinen Campingtisch, kommen im Urlaub an. So schnell geht das.
Die erste Nacht im Bulli ist immer etwas gewöhnungsbedürftig. Nicht wegen des Bettes, denn bequemer als dieses geht es wohl nicht. Einfach der Nähe zur Natur wegen. Zu hören, wie die leiseste Sommerbrise durch die Baumwipfel fährt, wie Vögel sich gut Nacht sagen. Ich bilde mir ein, auch die Insekten auf dem Waldboden krabbeln hören zu können. Das ist so schön und so eine Abwechslung vom Stadtleben, wo man abends im Bett Leute auf der Straße rumkrakelen, die Nachbarn Sex haben oder eine Party feiern hört und einfach lautstark das Fenster zuschlagen möchte. Hier ist die Ruhe laut. Und das ist erst einmal gewöhnungsbedürftig. Es ist so ruhig, dass ich fast nicht schlafen kann, vielleicht bin ich aber auch nur aufgeregt. Aber nach einer Nacht, vielleicht nach zwei, werde ich mich an die laute Stille gewöhnt haben und die Nähe zur Natur einfach genießen können.
Canterbury & Margate
Nach nur etwa 30 Minuten Fahrt kommen wir an unserem ersten Ziel an: Canterbury. Als ich den Namen der kleinen Stadt bei unserer Recherche auf der Karte sah, erinnerte ich mich wieder vage an den Englischunterricht der fünften Klasse, an die Tales of Canterbury und setzte das erste Kreuz genau hier. Schön ist es hier. Kleine Straßen mit kleinen Häusern, der Fluss Stour, eingebettet zwischen bunten Blumen, auf denen Leute umher paddeln und sich die Haut unter der Mittagssonne verbrennen. Die große Kathedrale, die Stadtmauer. Zwischendrin Cafés und Restaurants, die einladend aussehen. Wir laufen einfach so herum, können es gar nicht glauben, angekommen zu sein, kriegen das Grinsen nicht aus dem Gesicht. Dann legen wir uns für eine Weile auf eine der grünen Wiesen direkt am Fluss, es ist so ruhig und schön hier.
Dann geht es weiter, das nächste Ziel heißt Margate. Über den Ort weiß ich nur, dass er früher florierte, herunterkam und nun unter Londoner Hipstern, die der Stadt entkommen möchten, als Wohnort schlechthin gelten soll. Margate ist am Meer gelegen. Wir fahren an der Promenade entlang, eine Straße hoch, vorbei an großen Stadthäusern, dessen früherer Charme sich noch erahnen lässt. Finden einen Parkplatz an der Straße, der auch unser Übernachtungsort werden soll. Nicht so schön wie zwischen den Baumwipfeln Belgiens, aber das macht uns nichts. Wir laufen die Straße hinunter, am Wasser und den Graffitis an den Kaimauern entlang. Die Sonne steht tief, ist immer noch warm. Wir setzen uns bei GB Pizza (Great British Pizza; oh my, die Pizza ist wirklich great!) ins Fenster, teilen uns zwei, dann noch eine dritte Pizza und genießen Rosé on tap. Vergessen alles, was gestern noch war, sind nur wir zwei in diesem Moment. Langsam versinkt die Sonne im Meer, hinterlässt nur einen rosa Schimmer am Horizont. Was für ein perfekter Tag.
Am nächsten Morgen lassen wir es uns nicht nehmen, Dreamland zu besuchen. Der Freizeitpark aus den 1920er Jahren, über dem die große alte Holzachterbahn schwebt, war Anfang des Jahrhunderts eine der Attraktionen schlechthin in Kent, der Gegend, in der wir uns gerade aufhalten. Vielleicht sogar in ganz England. Nachdem die Engländer in den 1970er und 80er Jahren begannen, ihre Urlaubstage lieber im Ausland zu verbringen, statt heimische Freizeitparks zu besuchen, litt auch Dreamland. Als der Park 2003 schließlich die Tore schließen musste und Pläne für Wohngebäude laut wurden, schafften es Fans mit ihrer “Save Dreamland” Kampagne jedoch genügend Gelder einzuholen, sodass der Park nach einigen Restaurierungsarbeiten im Sommer 2015 wieder eröffnen konnte.
Ich bin froh, dass sie es getan haben. Denn obwohl ich kein Fan von modernen Freizeitparks, schnellen Fahrgeschäften oder ähnlichem bin, ist Dreamland doch ganz anders, etwas Besonderes. Das viele Holz, die Atmosphäre der 20er, die immer noch zu spüren ist, die alten Spielautomaten. Softeis und Pacman. Wir sind an einem Montag dort, die Sonne brennt vom Himmel, ein paar Familien schlendern durch den Park, Schülergruppen finden sich im Schatten der Sonnenschirme zusammen, ansonsten ist nicht besonders viel los. Ich überwinde meine Höhenangst und wir kaufen Tickets für das hübsche Riesenrad mit den pastellfarbenen Gondeln. Von hier oben hat man einen wunderbaren Blick über Dreamland, Margate und das Meer. Im Zentrum des Freizeitparks befindet sich ein große Wiese mit einer Bühne, umgeben von einer grünen Erhöhung mit Bänken - wie in einem Capitol - bunten Sonnenschirmen, Essensständen. Laut Plakaten wird das Gelände im Frühling und Frühsommer oft für Festivals und Konzerte genutzt. Ich kann mir gut vorstellen, wie die angeblichen Margate Hipster, von denen ich bisher übrigens noch keinen gesehen habe, sich den Technobeats hingeben. Nachdem wir einmal über das gesamte Gelände spaziert sind, das beste Grilled Kimchi & Cheese Sandwich überhaupt gegessen haben, läuft unser Parkticket so langsam ab und wir machen uns auf den Weg zurück zum Van und zum nächsten Ziel.
Wie man durch England reist, ohne Campingplätze aufzusuchen
Auf unserer gesamten Reise haben wir kein einziges Mal auf einem Campingplatz übernachtet. Wir haben immer einen Ort gefunden, wo wir uns für eine oder auch zwei Nächte mit unserem Bulli hinstellen und (meistens) in Ruhe schlafen konnten. Die Orte fanden wir vor allem über die App “Park4Night”. Die kostenlose App ist eine echte Herzensempfehlung für alle, die campen, roadtrippen, oder sonstig umher reisen. Auf einer Karte wird dir genau angezeigt, wo sich Orte, Park- und Rastplätze oder Ähnliche befinden, auf denen man sich für eine Nacht hinstellen kann. All diese Orte werden von Gleichgesinnten dort eingetragen, mit Bildern, Informationen und Bewertungen versehen. So kann man sich recht schnell und gut einen Eindruck machen, ob der Übernachtungsort für einen selbst infrage kommt. Wir haben es mit unserem Bulli, der ohne Hochdach und Fenster im hinteren Bereich von außen eher wie ein Catering Van aussieht, recht einfach. Für größere Wohnmobile, müsste man etwas genauer auf der Karte suchen, denke ich. Aber auch für sie gibt es viele Orte, die man für eine Nacht zum Übernachtungsort machen kann. Natürlich versteht es sich von selbst, umliegende Häuser nicht zu stören und seinen Müll zu entsorgen.
Wir hatten zwar eine Campingdusche dabei, die jedoch auf dieser Reise nicht zum Einsatz kam. Stattdessen entdeckten wir an unserem ersten Morgen in England die App “Hussle”. Diese zeigt dir Fitnessstudios in deiner Nähe an, für die du einen Tagespass buchen kannst. Oft gibt’s die schon ab gerade einmal £3, je mehr (Wellness-)Angebote das Studio hat, desto teurer ist der Tagespass. Für uns war es eine super Möglichkeit nicht nur entspannt zu duschen sondern auch viele Tage mit einem kleinen Workout oder Run auf dem Laufband zu starten. Viele Studios sind mittlerweile so modern, dass die Duschen sowieso ansprechender sind, als auf den meisten Campingplätzen. Die vielen Pubs, Tearooms und Cafés, die wir besuchten, boten eine super Gelegenheit, um auf Toilette zu gehen. Ich war wirklich begeistert, wie sauber und gepflegt diese überall waren. Sogar die öffentlichen im Stadtzentrum! Ein Hoch auf englische Toiletten! Im Notfall klappt es aber auch am Waldrand. ;)